Quartiershaus Grätzelmixer


Baugruppenprojekt mit 31 Wohnungen und einem Gewerbelokal - Projekt der Internationalen Bauausstellung Wien 2022

Für den Wettbewerb „Leben am Helmut-Zilk-Park“, den die ÖBB Anfang 2015 für die frei gewordenen Flächen am Wiener Hauptbahnhof als qualitätssicherndes Konzeptverfahren auslobte, konnten sich ausschließlich Baugruppen bewerben.
Das Projekt „Grätzelmixer“ (Grätzel = Wohnquartier) nimmt wiederum innerhalb der Wiener Baugruppenszene eine Sonderstellung ein, da es ohne Fördermittel, ohne Bauträger, ohne Projektsteuerer und ohne Generalunternehmer errichtet wurde. 

Ausgehend von den örtlichen Gegebenheiten und dem Ziel, möglichst hohen Wohnkomfort zu schaffen, wurden im Entwurf zwei Baukörper mit innenliegendem Stiegenhaus und jeweils drei Wohnungen pro Etage entwickelt. Die zentralen Wohnräume wurden in die drei der Sonne zugewandten Gebäudeecken gelegt und mit Fenstern an zwei Gebäudefronten ausgestattet. Balkone in der Größe eines Zimmers sind jeweils vorgelagert lassen sich an heißen Sommertagen durch Vorhänge in luftige Außenwohnräume verwandeln. Die semitransparenten Balkongeländer vermitteln Geborgenheit, und versperren dennoch nicht den Ausblick.
Die an die Balkone grenzenden Räume profitieren von Raumhöhen, wie sie in der Gründerzeit (und seit jeher) geschätzt wurden. Sie werden von den Balkonen verschattet, ohne dass sie zu dunkel wirken. Um keinen Raum zu verschwenden und gleichfalls ökonomisch wie energiesparend zu bauen, wurden die zwischen 3,20 m und 3,90 m hohen Wohnräume mit im Neubau üblichen 2,65 m hohen Individual- und Nebenräumen kombiniert. Durch Niveausprünge mit 3 bzw. 8 Stufen ergaben sich räumliche Differenzierungen zwischen Wohnen, Kochen und Arbeiten wie auch die Chance, zwei größere Wohnungen als „Haus im Haus“ über mehrere Etagen hinweg zu organisieren. 
Jede Wohnung konnte an den jeweiligen Flächenbedarf der zukünftigen Bewohner:innen angepasst werden. Dabei half das Prinzip „harte Schale, harter Kern“ mit tragenden Außenwänden und Trennwänden zum Treppenhaus hin. Die Wohnungstrennwände konnten frei angeordnet werden; sie übernehmen keine tragende Funktion, dienen allerdings zur Aussteifung. Dazwischen spannen die Decken frei, sodass sich unterschiedliche Wohnkonzepte umsetzen ließen. Ein zweiter Installationsschacht je Wohnung bedeutete zwar geringfügig höhere Kosten, brachte jedoch Freiheit in der Anordnung von Küchen, Bädern und WCs. Entsprechend unterschiedlich fielen die umgesetzten Lösungen aus, kein Grundriss gleicht dem anderen. Auf Wunsch wurden außenliegende Bäder mit Fenstern realisiert.

Das Quartiershaus wurde nach traditioneller Art in Ziegel gemauert, mit Steinwolle gedämmt und handwerklich verputzt. Die Grobkeramikfassade im Erdgeschoss setzt sich davon ab und gibt einen subtilen Hinweis auf die dort angelagerten öffentlichen Nutzungen.
Die Fenster wurden wahlweise in weißem Nadelholz oder in Lärche-Natur ausgeführt und werden von textilen Markisen verschattet. Autor: Achim Geissinger

Mit Konzeptverfahren zum Grundstück


Grundlage der Entwicklung des Quartiershauses „Grätzelmixer“ ist der Wettbewerb „Leben am Helmut-Zilk-Park“. Als Eigentümer der mit Fertigstellung des neuen Wiener Hauptbahnhofes frei gewordenen Flächen lobten die ÖBB Anfang 2015 diese als qualitätssicherndes Konzeptverfahren für die Bauplatzvergabe aus. Bewerben konnten sich ausschließlich Baugruppen mit Unterstützung von ArchitektInnen. Das heißt, die eingereichten Projekte wurden von Beginn an mit den tatsächlichen BewohnerInnen entwickelt. In der Vorgabe liegt ein Schlüssel für die erreichte Qualität. Das Projekt nimmt zudem eine Sonderstellung in der Wiener Baugruppenszene ein, da es ohne Fördermittel, ohne Bauträger, ohne Projektsteuerer und ohne Generalunternehmer errichtet wurde.

Der  "Grätzelmixer"

Veranstaltungsraum und Namensgeber des Projekts

Nachbarschaft gestalten


Wir sehen das Haus und das Grundstück als Ankerpunkt der Promenade und als wesentlichen Teil der Fußgängerzone.

Mit einem zum Platz hin geöffneten Bewegungs- und Kulturraum wird das Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grätzels.


Im Herzen der Veranstaltungsräume und zwischen unseren zwei Wohntürmen liegt der „Grätzelmixer", der Namensgeber des Projektes. Mit diesem großzügigen, hellen Raum für soziokulturelle Veranstaltungen möchten wir Abwechslung bieten, Menschen einbinden und Offenheit vermitteln. Über die großen Schiebetüren kann er sich bei schönem Wetter auf den Platz mehr als verdoppeln. Seine großen Schaufenster inszenieren das Innenleben nach Außen und Animieren zum Zuschauen und Mitmachen. Die Fläche am Platz davor wird so zu Bühne, ZuschauerInnen-Raum, Tanzparkett und Treffpunkt für das Grätzel. In Erinnerung sind zahlreiche Workshops, Feste und Konzerte.

Veranstaltungsräume im Innen- und Außenbereich

Wohnkomfort als architektonisches Konzept


Angelpunkt unserer Überlegungen ist der Wohncomfort. Ausgehend vom Bauplatz entwickelten wir daher zwei Baukörper mit innenliegendem Stiegenhaus und jeweils drei Wohnungen pro Etage. Die zentralen Wohnräume wurden an den südöstlichen, südwestlichen und nordwestlichen Gebäudeecken angeordnet. Ausgestattet mit Fenstern an zwei Gebäudefronten erhalten sie Licht von zwei Seiten und werden somit einen großen Teil des Tages besonnt. Ihnen vorgelagert befindet sich an den Gebäudeecken für jede Wohnung ein Balkon in der Größe eines Zimmers. Weiße optionale Vorhänge verwandeln sie an heißen Sommertagen in luftige Außenwohnräume. Die Balkongeländer wurden so entworfen, dass sie Geborgenheit gegenüber Blicken aus dem Stadtraum vermitteln aber im Sitzen bequem überblickt werden können. Für den Ausblick aus dem Wohnraum ist dies von Wichtigkeit.


Das Haus wurde traditionell in Ziegel gemauert, mit Steinwolle gedämmt und handwerklich verputzt. Die Fenster wurden in weißem Nadelholz oder wahlweise in Lärche-Natur gebaut und mit textilen Markisen beschattet. Die den Vorplatz schmückende Keramikfassade verweist auf die öffentlichen Nutzungen im Erdgeschoss.


Der offen gestaltete Zugang zum Balkon ermöglicht direkten Lichteinfall; gleichzeitig erlauben Architekturvorhänge Rückzugsmöglichkeiten.

Begegnungszonen

Ein Oberlicht durchflutet das Stiegenhaus bis in die unteren Geschosse mit Tageslicht.

Die skulptural anmutenden Treppen, eingelassenen Fußmatten und zum Verweilen einladenden Sitzbänke zeichnen das Stiegenhaus aus und schaffen eine ästhetisch ansprechende Atmosphäre im Alltag.



Komm, wir teilen...

Werkstatt

Dachterrasse

Lastenfahrrad und Fahrradraum

Dachküche

Urban Gardening

Gästewohnung

Waschküche

Sauna

... keine Wohnung gleicht einer anderen

Die Wohnungen des Grätzelmixers


Die Idee, ein neues Gebäude mit den aus der Gründerzeit geschätzten Raumhöhen zur bauen, sagte den BauherrInnen sofort zu. Davon profitieren insbesondere die hinter den Balkonen liegenden Flächen. Sie werden durch die Balkone beschattet, ohne dass sie zu dunkel wirken. Um keinen Raum zu verschwenden und gleichfalls ökonomisch wie energiesparend zu bauen, kombinierten wir die zwischen 3,20 und 3,90 m hohen Wohnräume mit im Neubau üblichen 2,65 m hohen Individual- und Nebenräumen. 

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    hohe Wohnräume mit modularen Nebenzimmern

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    hohe Wohnräume mit modularen Nebenzimmern

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In der Planungsphase benannten wir dieses Konzept als „harte Schale, harter Kern“. Das heißt, tragend sind lediglich die Außenwände und die Trennwände zum Stiegenhaus. Dazwischen spannen die Decken frei, so dass sich unterschiedlichste Wohnkonzepte umsetzen ließen. Die Trennwände zwischen den Wohnungen konnten frei angeordnet werden. Sie übernehmen keine tragenden Funktionen, aber sie geben dem Bau die notwendige Steifigkeit.

Eine zweiter Installationsschacht je Wohnung bedeutet eine geringe Erhöhung der Kosten. Für die BewohnerInnen brachte dies jedoch Freiheit in der Anordnung von Küche, Bädern und WC. Entsprechend unterschiedlich sind die umgesetzten Lösungen. Kein Grundriss gleicht einem anderen.

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    hohe Wohnräume mit modularen Nebenzimmern

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Die über sehr große Balkone, opulente Wohnräume mit zweiseitigem Lichteinfall und Raumhöhen über drei Metern verfügenden Tops lassen, kombiniert mit niedrigeren Schlaf- und Nebenräumen, spannende Raumsequenzen auf zueinander versetzten Ebenen entstehen.

An den 3 bzw. 8 Stufen hohen Niveausprüngen ergibt sich erstens die Möglichkeit Wohnen, Kochen und Arbeiten mit interessanten räumlichen Bezügen anzuordnen. Zweites besteht die Chance größere Wohnungen als Haus-im-Haus über mehrere Etagen zu organisieren, wie wir sie im Projekt zweimal umsetzen konnten. Darüber hinaus konnte jede Wohnung auch innerhalb des Geschosses an den Flächenbedarf ihrer BewohnerInnen ausgerichtet werden.

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    hohe Wohnräume mit modularen Nebenzimmern

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Ort:
Bloch-Bauer-Promenade 28 / Watzlawickweg 3, 1100 Wien
Bauherr:
Grätzelmixer GesbR und MEG
Planungsstart:
Jänner 2015
Bauzeit:
17.07.17 - 27.02.19
Wohnungen:
31 (40 - 170 m²)
Gewerbelokale:
1

Raumhöhen:

2,65 - 3,90 m

Ausstattung:
Kultur- und Bewegungsraum mit Vorplatz, Gemeinschaftsküche, Nachbarschaftsgarten, Kinderspielplatz, Bouleplatz, Gästewohnung, Sauna, Werkstatt, Hausbüro, Proberaum, Fahrradgarage
Nutzfläche, oberirdisch (NF):
2.800 m²
Bruttogeschossfläche, oberirdisch (BGF):
3.800 m²
bebaute Fläche (EG):
900 m²
Grundstücksfläche:
2.120 m²
NF / BGF:
0,74
Geschossflächenzahl (GFZ):
1,79
Grundflächenzahl (GRZ):
0,42
Heizwärmebedarf (HWB):
29,15 kWh/m²a
Energieeffizenzklasse:
A
Gesamtenergieeffizenzfaktor (fGEE):
0,774
Projektpartner:
Baugruppenbegleitung Wettbewerbsphase: MoWo, Wien
Baugruppenbegleitung Planungsphase: Markus Spitzer, Wien
Bauprojektsteuerung: KS Ingenieure, Wien
Landschaftsarchitektur: Yewo Landscapes, Wien
Tragwerksplanung: Dr. Ferdinand Jeindl, Krumbach
Bauphysik: K2 Bauphysik, Wien
Haustechnik: Die Haustechniker, Jennersdorf
AVA, ÖBA, BauKG: RVP, Graz und Wien
Auszeichnungen:
1. Preis im zweistufigen Architekturwettbewerb "Leben am Helmut-Zilk-Park"

Projekt der Internationalen Bauausstellung IBA Wien 2022 - Neues Soziales Wohnen
Veröffentlichungen:
Kollektive Wohnlabore
von: Maik Novotny
WohnenPlus, Heft 4/22, ISSN 0043-7158

Stadtführer*In: Wo Wohnen wir morgen?
Hrsg: Internationale Bauaustellung Wien 2022
Eigenverlag, ISBN 978-3-903474-16-1

Bauen für die Gemeinschaft in Wien
von: Isabella Marboe
Edition Detail, ISBN 978-3-95553-529-2

Wie Wohnen wir morgen?
Katalog zum Zwischenstand der Internationalen Bauausstellung Wien 2022

Ein Stück Stadt bauen
von: Robert Temel
Magistrat der Stadt Wien, ISBN: 978-3-903003-49-1

Architektur News 02.2018

Wir wollten schon aussteigen 
von: Eva Winroither 
in: Die Presse, 17.07.2016

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